How to kill a great organisation?:

Disruption durch den Computer auf Räder

In dieser Folge unserer Podcast-Serie „How to kill a great organisation“ sprach Markus Petz mit Dr. Markus Tomaschitz, Vice President und Chief Human Resources Officer bei AVL List. Die AVL ist im 75-jährigen Jahr ihres Bestehens, 1948 von Professor Hans List gegründet. AVL hat weltweit rund 10.700 Mitarbeiter, davon etwa 3900 in Graz, wo sich das Headquarter befindet ist. AVL ist mit 96 Gesellschaften in 26 Ländern der Welt tätig, überall dort, wo es Automobilindustrie gibt.

Tomaschitz beschreibt AVL als Automobilzulieferer mit 3 großen Standbeinen: Einerseits das Entwickeln von Messsystemen und Prüfständen, wo man Autos oder Motoren, ob mit Elektromotoren oder Verbrennungsmotoren oder auch Getriebe und Antriebsstrang misst. Der zweite große Bereich ist das Engineering, wo versucht wird das Auto noch effizienter und umweltfreundlicher zu machen. Das dritte Standbein ist der Bereich Simulation.

 

Das Auto als Computer auf Rädern

Im ersten Teil des Gespräches geht Tomaschitz auf den tiefgreifenden Wandel in der Automobilindustrie ein und bezeichnet diesen als  „die tiefgreifendste Änderung für die Automobilindustrie der letzten 100 Jahre.“

„Sich von einem doch bewährten Antrieb zu trennen, wie den Verbrennungsmotor oder sich trennen zu wollen, hat dermaßen einschneidende Konsequenzen, weil das ja nicht nur ist Verbrennungsmotor raus und Elektromotor rein, sondern weil damit eine Vielzahl an Themen, Antriebsstrang, Getriebe betroffen ist. Alles, was wir heute im Aftesales Bereich haben, man denke nur etwa an Werkstätten, das hat tiefgreifende Veränderungen zur Folge. Dazu kommt der Aufstieg der Software. Das Auto der Zukunft wird um den Monitor gebaut werden. Es geht um Rechenleistung und nicht mehr um Hubraum oder um PS Stärke. Und die Frage ist natürlich wie das Auto der Zukunft genutzt werden wird. Es wird ein Computer auf Rädern mit verschiedensten Möglichkeiten und Formen der Nutzung sein… Während AVL im Jahre 2019 noch 80% des Umsatzes mit Verbrennungsmotoren machte, werden es 2022 nur mehr 30% sein.“

Tiefgreifende Veränderung kann ohne Widerstand nicht funktionieren

Tomaschitz geht dann auf die Auswirkungen dieser disruptiven Veränderungen auf die Unternehmenskultur ein, die traditionellerweise eine ausgeprägte Technologie- und Innovationskultur ist.

„Dann haben wir zwei Möglichkeiten, entweder gehen wir nicht mit oder wir gehen mit. Und die einzige Konsequenz, um auch unternehmerisch das Geschäftsmodell weiterzutreiben, ist zu sagen, wir gehen mit in diese neue Technologie. Und das ist ein Kulturbruch, denn dann muss man einem Mitarbeiter, der 20 Jahre lang am Verbrennungsmotor gearbeitet hat, erklären, morgen optimieren wir oder morgen entwickeln wir elektrische Antriebe.“

So wie das Auto an sich ein emotionales Produkt ist, so ist auch das Thema Verbrennungs- vs. Elektromotor ein sehr emotionales. Und Umgang mit Emotionen bedeutet auch immer Umgang mit Widerständen:

„Ich glaube, dass kein ernstgemeinter Change, keine ernstgemeinte Transformation eines Unternehmens ohne Widerstand funktionieren kann. Auch bei uns nicht.  Ich würde eher sagen, es sollten alle Alarmglocken läuten, wenn es keinen Widerstand gibt, denn Widerstand ist ja per se mal nichts Schlechtes. Es geht aber eher darum, wie geht man mit diesen Emotionen um und wie schafft man Rahmenbedingungen. Man muss dem Widerstand Raum und Zeit geben, Gehör zu finden.“

Veränderung braucht Sinngebung, Transparenz und offene Kommunikation

Sinngebung, Transparenz und offene Kommunikation sind für Tomaschitz die Schlüsselelemente in einem Change-Prozess:

„Wir versuchen mit Transparenz, mit Aufklärung, auch mit dem Thema Sinn erklären, Perspektive geben, diesen Change-Prozess zu beschleunigen. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter. Aber eines ist auch ganz klar, ein Veränderungsprozess, der verläuft nie linear, der ist nie rund. Da geht es immer mal rauf, mal runter, da ist immer Chaos dabei und da geht es nicht so sehr darum, welche Tools verwende ich, sondern vor allem um eines: Veränderung gelingt, wenn es mir gelingt, die Mitarbeiter für den Veränderungsprozess einzunehmen. Und es gelingt über Kommunikation, über Sinn stiften, über Perspektive geben, vor allem aber über Möglichkeiten des Austausches. Dann kann es gelingen.“

Abschließend geht Tomaschitz auf Kompetenzen und Anforderungen an die Mitarbeiter:innen ein. Neben Methodenwissen sieht er eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten als wesentlichste Faktoren:

„Der Grundsatz der Dezentralisierung ist, dass der Einzelne möglichst viel selbst entscheiden soll. An dem möchte eigentlich der Eigentümer, und der gibt ja diese Kultur ganz massiv vor, nicht rütteln. Wir sind alles, nur kein Unternehmen mit Mikromanagement.“


Das Interview in voller Länge:

Markus Petz: Herzlich willkommen zu unserer neuen Folge unseres „How to Kill a Great Organization“ Podcasts. Wir sprechen mit Menschen, die für den langfristigen Erfolg ihrer Organisation ausschlaggebend sind. Mein Name ist Markus Petz. Ich bin einer der Gründer von MetaShift und mein heutiger Gast ist Dr. Markus Tomaschitz. Er ist Vice President und Chief Human Resources Officer bei AVL List und glaub ich auch Group Spokes Man. Herzlich willkommen, lieber Markus.

Markus Tomaschitz: Vielen Dank, Markus, freue mich sehr und bedanke mich für die Einladung.

Markus Petz: Ja, bevor wir uns unserer heutigen Leitfrage zuwenden, wo es darum gehen wird Wie gelingt denn eine tiefgreifende Transformation von einem weltweit anerkannten Spezialisten für Verbrennungskraftmaschinen hin zu einem komplett neu aufgestellten Elektro-Elektronik-Expertise Unternehmen rund um Mobilität, würde ich dich bitten, dass du vielleicht noch ein paar Sätze zu dir als Person, zu deiner Funktion und vielleicht auch noch ganz kurz zu AVL List aus Graz erzählst.

Markus Tomaschitz: Sehr, sehr gerne. Ich fange vielleicht mit der AVL an, die AVL ist im 75-jährigen Jahr ihres Bestehens. Also wir wir sind 1948 von Professor Hans List gegründet worden. Heute würde man sagen ein Spin off der Technischen Universität. Wir haben heute rund weltweit 10.700 Mitarbeiter, davon rund 3900 in Graz, wo auch unser Headquarter ist. Wir sind insgesamt mit 96 Gesellschaften in 26 Ländern dieser Welt tätig. Eigentlich überall dort, wo die Automobilindustrie ist. AVL ist ein Automobilzulieferer, ein klassischer, der auf drei großen Standbeine steht. Einerseits das Entwickeln von Messsystemen und Prüfständen, wo man Autos oder Motoren, ob mit Elektromotoren oder oder Verbrennungsmotoren oder auch Getriebe und Antriebsstrang sozusagen misst. Wie leistungseffizient zum Beispiel ist es dann, kann man noch simulieren, prüfen, weiter testen oder auch wie viel CO2 oder NOx wird ausgestoßen. Der zweite große Bereich ist das Engineering. Also wir versuchen mit unseren und unseren Partnern, den Unternehmen gemeinsam das Auto noch effizienter zu machen, umweltfreundlicher zu machen, CO2 Ausstoß zu reduzieren usw. Also da geht es ganz stark um Engineeringleistung im Vorfeld einer neuen Automobilgeneration. Und der dritte Bereich ist der ganze Bereich des Simulierens. Weil all das was wir gesagt haben teuer ist, bedient man sich heutzutage sehr vieler Methoden, um das mal anders sozusagen anzugehen.

Und um es mal anders mit günstigeren Methoden zu machen, um zu Ergebnissen zu kommen, dann simuliert man. Zu meiner Person. Ich habe in Graz BWL studiert und bin nach ein paar Wanderjahren in der Unternehmensberatung zur FH Joanneum gekommen, war mein erster Job eigentlich bei der steirischen volkswirtschaftlichen Gesellschaft, dort im Bereich der Bildung, der betrieblichen Erstausbildung eingesetzt. Das ist auch ein Steckenpferd, das mir bis zum heutigen Tag geblieben ist. Diese große Liebe und die große Leidenschaft für Bildung, Ausbildung, Fortbildung, also alles, was in diesem Bereich dinnen ist. Und ich bin dann zur FH Joanneum gekommen, war dort kaufmännischer Geschäftsführer und bin danach in den Vorstand der Magna berufen worden, war dort für den Bereich Forschung und Ausbildung zuständig. Research und Development mit einer ganz spannenden Kombination aus beiden, weil Forschung natürlich auch immer wieder mit Weiterbildung und einen Bezug zur Weiterbildung hat und Weiterbildung auch Bezug zur Forschung hat. Und seit neun Jahren bin ich bei der AVL List GmbH, zuerst als Leiter der Personalentwicklung und seit 2015 leite ich das gesamte Personalwesen und bin seit zwei Jahren auch der Leiter der Unternehmenskommunikation.

Markus Petz: Wunderbar! Vielen Dank für dieses kurze Zusammenfassen sowohl des Unternehmens als auch deines Werdegangs. Jetzt ist eben so wie du gesagt hast, das Unternehmen doch schon sehr lange auf dem Markt und hat sich etabliert. So auch in meiner Wahrnehmung als der Spezialist. Und das ist ja auch aus dem Namen ableitbar für Verbrennungskraftmaschinen. Jetzt wissen wir, dass Verbrennungskraftmaschinen tendenziell eher zu einem Ende kommen. Wir wissen noch nicht genau wann, aber es geht in eine neue Richtung. Das heißt die Rahmenbedingungen ändern sich doch deutlich oder haben sich teilweise schon deutlich geändert. Und das heißt ja nichts anderes, als dass auch bei eurem Unternehmen es zu einer tiefgreifenden Veränderung kommt. Und jetzt interessiert uns vor allem, wie äußert sich diese tiefgreifende Veränderung auf der kulturellen Ebene in eurem Unternehmen?

Markus Tomaschitz: Tatsächlich ist es genauso wie du sagst, eine der wahrscheinlich tiefgreifendsten Änderungen für die Automobilindustrie, das sage ich jetzt mal, der letzten 100 Jahre. Sich von einem doch bewährten Antrieb zu trennen, wie den Verbrennungsmotor oder sich trennen zu wollen, hat dermaßen einschneidende Konsequenzen, weil das ja nicht nur ist Verbrennungsmotor raus und Elektromotor rein, sondern weil damit eine Vielzahl an Themen, Antriebsstrang, Getriebe. Alles, was wir heute im Aftesales Bereich haben, man denke nur etwa an Werkstätten, das hat tiefgreifende Veränderungen zur Folge. Dazu kommt der Aufstieg der Software. Das Auto der Zukunft wird um den Monitor gebaut werden. Es geht um Rechenleistung und nicht mehr um Hubraum oder um PS Stärke. Und die Frage ist natürlich wie das Auto der Zukunft genutzt wird und werden wird. Es wird ein Computer auf Rädern mit verschiedensten Möglichkeiten und Formen der Nutzung besitzen. Ich kann es benützen, ohne es zu besitzen, wenn ich etwa mir für mehrere Tage das Recht auf Nutzung einräume. Wir sehen heute aber auch schon, dass das Statussymbol Auto, mit dem ja unserer beider Generation aufgewachsen ist, man arbeitet und leistet sich das erste Auto, diese Leidenschaft für Mobilität, jetzt gerade auch bei der Generation Z schon eine andere Form der Ausprägung hat. Ein Auto muss nicht mehr notwendigerweise da sein. Wir leben heute in vielen Ländern der industrialisierten Welt, dass nur mehr jeder zweite Jugendliche überhaupt noch einen Führerschein macht. Und das alles führt uns eigentlich in die Situation, wozu wird ein Auto gebraucht und wo ist dann der Platz dafür.

Wir haben im Jahr 2019, und das ist praktisch ja vorgestern gewesen, noch etwa 80 % unseres Umsatzes mit dem Verbrennungsmotor gemacht. Und wir werden in diesem Jahr gerade mal noch 30 % des Umsatzes mit dem Verbrennungsmotor machen. Jetzt ist das nicht überall gleich, und man muss auch differenzieren. Europa wird mit der Gesetzgebung ab 2035 nur mehr Elektromotoren zulassen. Beziehungsweise man ist dann auch eine gewisse Flexibilität eingegangen. Klarerweise auch mit Wasserstoff bzw auch mit synthetischem Kraftstoff. Das hat man nicht überall auf dieser Welt. Wir werden in Afrika wahrscheinlich noch sehr, sehr lange mit dem Verbrennungsmotor fahren. Wir werden in weiten Teilen Asiens noch sehr, sehr lange mit dem Verbrennungsmotor fahren. Das selbe gilt für Südamerika. Bei Amerika sind wir noch sehr, sehr vorsichtig, was Prognosen betrifft. Es kann in die eine oder andere Richtung gehen. Aber zumindest in Europa erleben wir ja, haben wir jetzt einmal ein klares Bekenntnis. Und da gibt es auch die Frage nicht, woher wird dieser Strom denn kommen, um diese Batterien anzutreiben. Also wir haben schon auch eine Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass die Energie auch aus nachhaltigen Quellen stammt, mit denen wir dann unsere Elektroautos sozusagen beladen. Weil wenn wir ein Kohlekraftwerk dafür brauchen, um ein Elektroauto aufzuladen, ist ja nichts gewonnen, weil der CO2 Ausstoss dann ja fast derselbe wäre. Da wäre es fast noch besser mit den modernen Diesel oder Benzinautos zu fahren.

Also, und jetzt komme ich zu der eigentlichen Frage, was heißt das für die Kultur? Die AVL kommt natürlich aus einer ausgeprägten Technologie- und Innovationskultur heraus. Wir sind zum zwölften Mal in Folge Österreichs innovativstes Unternehmen. Mit unseren Patenten, mit unseren Gebrauchsmustern, mit unseren Ideen konnten wir in der Vergangenheit vor allem den Verbrennungsmotor effizienter machen, leiser machen, kostengünstiger machen, vielleicht auch leistungsstärker machen. Aber wir haben eine bewährte Technologie, die es seit über 100 Jahren gibt, verbessert, verbessert, verbessert. Man könnte sagen inkrementell optimiert. Jetzt geht es um Disruption. Und die trifft die Unternehmen in Mark und Bein, weil von heute auf morgen. Man muss ja sagen, die AVL nimmt das ja vorneweg, was man in fünf sechs Jahren am Markt sieht. Weil wir sind der Technologieführer. Also die Firmen kommen zu uns, weil sie hier eine Technologie bekommen, die sie sonst nirgends sehen. Und wenn der Kunde sagt, liebe AVL, Wir investieren in den Verbrennungsmotor jetzt mal nicht, weil wir haben viele andere Themen, wo wir investieren, fahrerlose Assistenzsysteme, Software, Elektrifizierung des Antriebs, Hybridisierung des Antriebs. Dann haben wir zwar Möglichkeiten, entweder gehen wir nicht mit oder wir gehen mit. Und die einzige Konsequenz, um auch unternehmerisch das Geschäftsmodell weiterzutreiben, ist ja dann zu sagen, wir gehen mit in diese neue Technologie. Und das ist ein Kulturbruch, denn dann muss man einem Mitarbeiter, der 20 Jahre lang am Verbrennungsmotor gearbeitet hat, erklären, morgen optimieren wir oder morgen entwickeln wir elektrische Antriebe. Das ist eine spannende Diskussion.

Markus Petz: Jetzt ist das natürlich die große Frage. Aus einer abstrakten Sicht betrachtet, klingt es sehr rational und auch notwendig. Wenn dann aber natürlich Emotionen mit ins Spiel kommen und bei so vielen Menschen, die ihr weltweit beschäftigt, denke ich mir, ist es dann natürlich der Fall. Wie gehen sie damit um? Also die Frage Was sind denn so Voraussetzungen, die ihr als Unternehmen versucht zu schaffen, damit diese tiefgreifende Veränderung möglichst friktionsfrei stattfinden kann? Und dann vielleicht auch noch, was sind so Stolpersteine, die ihr bis jetzt schon bemerkt habt.

Markus Tomaschitz: Also wenn ich ein Stück weit nur kurz aushole, das Auto ist wahrscheinlich das emotionalste Produkt, das es gibt. Ich verbinde mit dem Auto ja nicht nur von A nach B zu kommen, sondern damit auch gefühlte Leidenschaft, Emotion. Die verbindet es mit einer Marke. Gerade das ausgewiesene Branding ist im Bereich von Automobilerzeugern besonders stark ausgeprägt. Und das spürt man ja auch, wenn man etwa an Leitmotive denkt Vorsprung durch Technik, Leidenschaft am Fahren etc. etc.. Da sieht man schon, wie emotional das Thema ist. Und ähnlich emotional ist natürlich auch das Thema Verbrennungs- und Elektromotor. Denn klarerweise gibt es viele, die sagen, und die führen dir ja dann auch logische Gründe an, oder nachvollziehbare Gründe. Kann sich das ausgeht? Gibt es genügend seltene Erden? Gibt es genügend Batterien? Was wird mit den Batterien danach passieren? Lass uns doch auf den Verbrennungsmotor setzen. Gleichzeitig sehen wir und erleben wir jedes Jahr neue Hitzerekorde. Und wir wissen mittlerweile auch, denn wir haben auch die letzten davon überzeugt, dass der CO2 Gehalt in der Luft keinen ganz unwesentlichen Anteil daran hat, dass sich diese Erde erwärmt. Und CO2 entsteht natürlich auch durch den Betrieb von Verbrennungsmotoren. Also es ist glaube ich schon den meisten klar, dass aus rationaler Sicht was getan werden muss. Jetzt zur Emotion, du sprichst einen ganz wesentlichen Punkt an. Ich glaube, dass kein ernstgemeinter Change, keine ernstgemeinte Transformation eines Unternehmens ohne Widerstand funktionieren kann. Auch bei uns nicht.  Ich würde eher sagen, es sollten alle Alarmglocken läuten, wenn es keinen Widerstand gibt, denn Widerstand ist ja per se mal nichts Schlechtes. Es geht aber eher darum, wie geht man mit diesen Emotionen um und wie schafft man Rahmenbedingungen. Man muss dem Widerstand Raum und Zeit geben, Gehör zu finden.

Es ist ganz, ganz wichtig, dass Mitarbeiter in der Lage sein müssen, ihrem Vorgesetzten auch vor einem breiteren Publikum zu sagen: Ich habe da meine liebe Not, das zu machen. Denn ein Unternehmen muss eine Richtung einschlagen. Wir wollen weiterhin erfolgreich sein. Wir haben eine sehr, sehr erfolgreiche Vergangenheit gehabt. Wir wollen auch eine erfolgreiche Zukunft haben. Damit alles gleich bleibt, damit wir weiterhin Erfolg haben, muss sich einiges ändern. Das trifft manche mehr als andere. Und wichtig ist es, sozusagen das Gefühl zu erzeugen, wir nehmen deine Einwände, deinen Widerstand ernst, wir hören dich. Und ja, wir sehen schon auch wie überall in der Welt, wenn so eine einzelne, Situation entsteht, ist nie alles eindimensional richtig. Es gilt immer, Dinge abzuwägen. Aber entscheidend, dass man Gehör findet, dass man verstanden wird, aber dann doch auch eine gemeinsame Zielrichtung hat. Wir wollen doch in diese Richtung gehen. Und dann liegt es beim Einzelnen. Der Mensch ist ein Erwachsener. Kann er da mitgehen, oder kann er nicht mitgehen. Schlimm wäre es, wenn es von vornherein ausgeschlossen wäre, dass wir Widerstand oder Kritikpunkte oder Argumente gar nicht zuzulassen, weil dann wird der Druck so hoch, dass das in eine unheimliche Unzufriedenheit mündet, damit wahrscheinlich auch Abgang von vielen, vielen guten Leuten, weil sie sagen, dieses Unternehmen zeigt kein Verständnis. Es geht um Verständnis. Und das ist entscheidend.

Markus Petz: Jetzt hast du gesagt, das Wichtige ist und da schließe ich mich voll an, dem Widerstand Raum zu geben und auch zu versuchen, denke ich mir, ihn zu integrieren. Es gibt ja oft Widerstand, der ja auch Sinn macht im Sinne von voranbringen. Etwas nutzen, um etwas weiterzuentwickeln. Kannst du uns verraten, wie macht ihr das konkret? Habt ihr da spezielle Formate? Das klingt ein bisschen abstrakt, aber wie funktioniert das im unternehmerischen Alltag, der geprägt ist von hohem Druck, vom Vorankommen, vom operativen Weiterbringen? Wie gelingt es ganz konkret, solche Räume zu schaffen, zu halten, wo solche Widerstände auch geäußert werden können?

Markus Tomaschitz: Also wir haben uns viele verschiedene Formate überlegt, anhand derer das möglich ist, haben uns dann am Ende des Tages für die sogenannten Townhall Meetings entschieden. Das kennt man aus der amerikanischen Demokratie, wo also Bürgermeister ins Rathaus einladen. Townhall, um wirklich vor versammeltem Publikum mit Bürgern Dinge zu besprechen, die für die Gemeinde von Relevanz sind. Wir haben das ganz genau gleich gemacht. Wir hatten jetzt zwei Jahre Pandemie, das heißt, sie haben vieles digital machen müssen, versucht, Plattformen zu schaffen, damit die Mitarbeiter hören und dadurch gleichzeitig auch verstehen und begreifen, was dem Eigentümer, Professor Helmut List, was der Geschäftsführung und was den Führungskräften wichtig ist und wohin der Weg geht. Also die Leute müssen schon hören, warum sich etwas tut. Wir müssen den Sinn vermitteln. Ein Warum verträgt viele Wie? Aber es muss ganz klar herauskommen, warum machen wir das? Und dann haben wir mit der Plattform von Townhall Meetings versucht, möglichst viel Raum zu geben und einen Ort zu machen, in dem man angstfrei, frei von Konsequenzen, aber wirklich sicher, auch mal Frust oder Ärger oder Sorge von der Seele reden darf. Denn eines darf man nicht vergessen, Mitarbeiter haben ja auch Sorgen. Dort wird es mich morgen noch geben. Du hast richtig gesagt, Markus, der Verbrennungsmotor ist bei uns im Namen.

Wir sind die Anstalt für Verbrennungsmaschinen List. Die Mitarbeiter haben auch ein Recht darauf, Perspektive und Sinn zu haben. Und das muss man aber so artikulieren und auch formulieren, dass das verstanden wird und dass man daraus selber auch für sich individuelle Perspektiven sieht. Dann die Sorgen loswerden, die Ängste sagen, diese Ängste auch ernst nehmen. Wir haben in vielen Bereichen, das haben wir auch den Mitarbeitern kommuniziert, sehr wohl da oder dort Anpassungen in unserer Veränderungsstrategie vorgenommen, weil wir auf die Mitarbeiter gehört haben. Vielleicht nicht immer und wahrscheinlich nie ausreichend. Und man kann immer noch mehr kommunizieren. Aber wir versuchen mit Transparenz, mit Aufklärung, auch mit dem Thema Sinn erklären, Perspektive geben, diesen Change-Prozess zu beschleunigen, das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter. Aber eines ist auch ganz klar, ein Veränderungsprozess, der verläuft nie linear, der ist nie rund. Da geht es immer mal rauf, mal runter, da ist immer Chaos und da geht es nicht so sehr darum, welche Tools verwende ich, sondern vor allem um eines: Veränderung gelingt, wenn es mir gelingt, die Mitarbeiter für den Veränderungsprozess einzunehmen. Und es gelingt über Kommunikation, über Sinn stiften, über Perspektive geben, vor allem aber über Möglichkeiten des Austausches. Dann kann es gelingen.

Markus Petz: Du hast mir schon ein ganz spannendes Stichwort für meine nächste Frage geliefert, nämlich eben diese Frage des Warum, diesen Orientierung gebende Purpose-Entwicklung. Viele Unternehmen sind ja jetzt auf diesem Weg, eben um den Mitarbeitern in sehr, sehr schnell verändernden Zeiten, in sehr schnell verändernden Umgebungen ihren Purpose offen zu legen. Wenn ich jetzt ganz offen an dich die Frage richte: Seid ihr eine purpose-driven Organisation? Und woran kann ich das als Einzelner erkennen?

Markus Tomaschitz: Also wir haben es vielleicht ein bisschen leichter als vielleicht so manch anderes Unternehmen. Bei uns steht ganz oben drinnen, dass es unsere Aufgabe ist, diesen Planeten ein Stück weit grüner, nachhaltiger und gesünder zu machen. Das ist unsere Aufgabe. Wir machen das nicht wegen uns selber oder um unsere Kunden zufrieden zu stellen. Das steht natürlich auch an vorderster Stelle. Sondern vor allem darum, weil wir wissen, wenn wir erfolgreich sind, dann hat das eine Auswirkung auf unser Miteinander. Das haben die Mitarbeiter verstanden. Also wir sind jetzt kein Unternehmen von Benzinbrüdern mit dem Motto Hubraum statt Wohnraum, sondern die Leute haben ein sehr, sehr hohes Verständnis dafür, und sie wissen das auch, und sie sehen das auch, dass Mobilität für den Planeten von entscheidender Bedeutung ist und auch für unser aller Weiterbestehen. Also da, da tun wir uns relativ leicht. Bei dem anderen Punkt, da bin ich ganz bei dir. Das Warum, das hat im Prinzip eine relativ einfache Erklärung. Als Forschungsdienstleister, wenn man so will, als technologiegetriebener Forschungsdienstleister, wo man ganz am Anfang steht, spürt man wohin es geht.

Und wenn wir diesen Trend nicht aufnehmen, dann kommt einfach kein Geld rein. Also wenn wir sagen würden, lieber Kunde, schön und gut, du willst elektrifizieren, aber wir glauben an den Verbrennungsmotor, dann sterben wir in Schönheit. Es blieb uns gar keine andere Wahl, als auf der einen Seite diese Rationalität, auf der anderen Seite diese Emotionalität, mit unserer Arbeit einen ganz wesentlichen Beitrag zur CO2 Reduktion auf diesem Planeten zu machen. Wir haben einen zweiten Vorteil. Der Großteil unserer Mitarbeiter sind ausgesprochen rationelle, vernunftbegabte Personen. Das sind Leute, die in aller Regel einen naturwissenschaftlichen, mathematischen, IT oder technologischen Hintergrund haben. Die sind es gewohnt, Probleme zu lösen. Der Techniker löst ein Problem und er hat er Freude daran, das zu machen. Also wir spüren schon, dass hinter all der Emotionalität auch diese Rationalität des Technikers, der Technikerin ist, dass sie sagt Okay, ich verstehe. Ich nehme das neue Thema an und versuche, die Lösung zu haben. Da haben wir auch ein Glück mit unserer Belegschaft. Ein riesiges Glück.

Markus Petz: Bitte, bevor wir in Richtung Individuum kommen, weil da habe ich natürlich auch noch einige Fragen, die mich brennend interessieren, habe ich zuvor noch etwas, was die Organisation in den Fokus nimmt. Jetzt hat man gesagt okay, wir, oder ihr habt einen doch ausgeprägten Purpose, den ihr auch kommuniziert, den doch die Menschen dann verinnerlichen und auch attraktiv finden, sich demzufolge danach ausrichten können. Jetzt ist es ja auch so, dass viele Unternehmen angesichts von, du hast das vorher schon angesprochen, einer unglaublichen Veränderungsgeschwindigkeit, einer unglaublichen Dynamik, durch das Wort Disruption genannt. Dass diese Organisationen eine Dezentralisierung der Entscheidungsmacht versuchen zu bewirken. Wie steht die AVL als weltweit tätiges Unternehmen dazu? Wie stehst du dazu? Wie handhabt ihr das in eurem Unternehmen? Eben diese Frage nach einer Dezentralisierung an Entscheidungsmacht.

Markus Tomaschitz: Es ist auch ein sehr, sehr guter Punkt und der geht ganz stark in das Verständnis, welche Firmenkultur der Eigentümer haben möchte. Professor Helmut List, der das Unternehmen in zweiter Generation führt, ist seit 1979 CEO und President des Unternehmens. Und er ist unheimlich glückliche Kombination aus einem, ich möchte fast sagen, leidenschaftlichen Techniker, der noch bis heute in der Tiefe verstehen möchte, was sich da tut. Und auf der anderen Seite ein unheimlicher Humanist. Und aus beidem heraus ist die Überzeugung entstanden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Führungskräfte dann am besten performen, ihre Leistung dann am besten bringen, wenn man ihnen möglichst große Freiheitsgrade gibt. Also wir sind ein Unternehmen, das unheimlich große Freiheitsgrade gibt, aber auch davon lebt, dass Mitarbeiter da sind mit einer hohen intrinsischen. Eigenmotivation. Also Mitarbeiter, die Anleitung brauchen, die einen direktiven Führungsstil brauchen, die tun sich bei uns schwer, weil es diese Kultur nicht gibt. Wir haben diesen autoritären, direktiven Führungsstil nicht. Das ist manchmal im Change ein Nachteil, weil da braucht es manchmal die klare Ansage, aber das sind wir einfach nicht. Gegen diese DNA eines Unternehmens kann man nicht sein. Und genau das Gleiche zeigt sich auch außerhalb des Headquarters. Wir haben eine enorm starke Dezentralisierung. Der Managing Director in Korea, in Thailand, in Australien, in den USA hat sehr, sehr hohe Freiheitsgrade.

Er weiß, wann er sich abstimmt, aber in Summe weiß er, dass er eine hohe Eigenverantwortung hat. Und es hat die Dezentralisierung befördert. Jetzt, in Friedenszeiten unter Anführungszeichen, ist Dezentralisierung super, weil man muss sich die AVL wie einen Flottenverband vorstellen. Das ist kein großes Schiff, sondern ein Flottenverband. Und der Reeder Professor List sagt den Kapitänen per Funk, bitte in die Richtung geht’s jetzt. Wir sind aber nicht das große Schiff. Der Nachteil ist Dezentralisierung eben. Genau in Zeiten wie diesen, wo es manchmal schnell gehen muss, wo es um rasche Entscheidungsfindung geht. Wir bis jetzt keine basisdemokratische Einrichtung, das wäre zu weit gegriffen. Aber wir sind schon ein Unternehmen, wo der Einzelne weiß, er kann sich Gehör verschaffen, er kann seine Meinung kundtun und es kann in diese und jene Richtung gehen. Und das hältst du aber nur dann durch, wenn du Leute hast, denen du vertraust, dass sie trotz allem dann das Richtige tun und machen. Aber der Grundsatz der Dezentralisierung ist, dass der Einzelne möglichst viel selbst entscheiden soll. An dem möchte eigentlich der Eigentümer, und der gibt ja diese Kultur ganz massiv vor, nicht rütteln. Wir sind alles, nur kein Unternehmen mit Mikromanagement.

Markus Petz: Jetzt habe ich versucht, auch ganz aufmerksam zuzuhören. Ja, es führt mich das natürlich zu der Frage, inwieweit ist denn Diversität bei euch im Unternehmen ein wesentlicher Faktor? Und dann natürlich, insbesondere im Hinblick auf das schon erwähnte technikaffine Unternehmen, sehr viele Menschen mit Technikausbildung, mit Affinität dorthin. Also inwieweit gelingt es euch im Unternehmen insgesamt, aber insbesondere natürlich dann auch in der Unternehmensspitze einen Frauenanteil zu haben, der dem entspricht, was auch unserer Bevölkerung entspricht?

Markus Tomaschitz: Also hier triffst du einen ganz wichtigen und leider auch wunden Punkt. Wir haben also nach wie vor viel zu wenig Frauen in Führungspositionen und viel zu wenig Frauen in technischen Berufen. Das ist etwas, was uns ja auch in Österreich seit Jahrzehnten nun schon begleitet, dass wir erleben, dass wir ja schon in der HTL und danach auf den Technischen Universitäten und an Universitäten in den technischen Studiengängen von Fachhochschulen kaum über 10%, 15 % hinauskommen. Und das haben wir dann auch in den Unternehmen. Ich habe auch 17 % Frauenanteil in der AVL, das ist weit zu wenig. Und die romanischen Länder haben 30 %. Länder wie Iran hat zirka 50 % Frauenanteil in technischen Berufen und auch auf der Universität. Ich glaube, es hat nach wie vor mit sehr tradierten Mustern zu tun, in der Erziehung, mit sehr tradierten Mustern, dann auch in der schulischen Ausbildung. Noch heute ist es so, dass wir leider Gottes sozusagen viele junge Menschen, die vielleicht sogar für die Technik prädestiniert wären, talentiert werden, Stärken hätten, in den naturwissenschaftlichen Fächern verlieren. Und das sollte uns zum Nachdenken geben, dass da der deutschsprachige Raum hier so weit hinterherhinkt. Das ist ja in Deutschland nichts anderes, auch in der deutschsprachigen Schweiz nichts anderes. Hier sind wir einfach hinterher. Aber wir haben vieles, vieles gemacht. Ich denke da an FemTech und viele andere Aktivitäten, die gesetzt wurden. Es gibt auch Gott sei Dank ein paar Parolen, Beispiele, wenn ich nur etwa an die großartige Frau Angelika denke, von den Finnen und viele andere mehr. Also da gibt es schon ein paar Rollen, aber es müssen mehr kommen, auch bei uns, damit es eine Art Logik gewinnt. Aber man sieht schon jetzt an meinem Lapsus, die männliche Form oft zu verwenden, dass es noch immer so ist, dass man sich unter dem Techniker eben Techniker und Technikerin vorstellt. Und es dürfte eigentlich nicht passieren. So gesehen danke ich auch für den Hinweis, hier mit der Sprache vorsichtiger zu sein.

Markus Petz: Ja, also ich denke, das war jetzt eh keine böse Absicht. Und es geht mir wahrscheinlich genau gleich, nach wie vor stark in diesen Bildern, dass eben Technik mit Mann identifiziert wird. Noch viel mehr als mit Frau. Was mich auch noch wahnsinnig interessiert ist, nämlich auch das bietet sich jetzt so an, wenn wir über Technik sprechen. Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Anforderungen in der Zukunft für Mitarbeiter bei AVL, jenseits der fachlichen Kompetenzen? Also Welche Kompetenzen brauchen Menschen, die bei euch erfolgreich mitgestalten können, aber jenseits des Fachlichen?

Markus Tomaschitz: Das ist eine ausgesprochen interessante Frage, die ich sozusagen in drei Teilrichtungen beantworten kann. Ich beginne mit dem Methodischen. Ich glaube, dass das  Methoden Wissen, zu wissen, wie man etwas auch in Ergebnisse ummünzt, eine ganz entscheidende Fähigkeit ist. Bin ich in der Lage, sozusagen Wissen in Nutzen zu transformieren. Dieses Werkzeug-Verständnis auch, kann ich das richtig umsetzen, ist unheimlich wichtig. Weil natürlich alles bei uns Projektmanagement ist und am Ende nur das Ergebnis zählt. Und das ist schon eine ganz wesentliche, würde ich meinen, Voraussetzung für den Erfolg in unserem Unternehmen, wahrscheinlich in vielen Unternehmen. Das ist halt einfach mal so und da muss man sich dann auch dementsprechend gut, gut vorbereitet wissen, um wirklich in der Lage zu sein, dieses Methoden-Wissen richtig einzusetzen. Das zweite ist mit Sicherheit, wenn ich jetzt auf die Persönlichkeitsstruktur gehe, dass bei der AVL ganz bestimmte Eigenschaften, ich habe es schon erwähnt, wichtig sind. Es ist zu eigenverantwortlichem, selbständigem Arbeiten in der Lage zu sein. Man ist immer im Team, man ist nie alleine, aber eigenverantwortlich, selbstständig zu arbeiten und auch unternehmerisch zu denken, selbst wenn man kein Unternehmer ist, aber eben immer auch im Sinne von Was hilft dem Unternehmen, was kann ich dort noch machen, was kann ich da machen? Wie kann ich dort vielleicht das eine oder andere noch besser machen? Also das halte ich für eine ausgesprochen wichtige, wichtige Gabe. Dann das Thema Bildung, dann das Thema. wertschätzendes Miteinander.

Jede Unternehmung ist ein so komplexes soziales System. Wenn man Menschen ein bisschen so sein lässt, wie sie sind und es auch akzeptiert. Das heißt, Führungskräfte müssen lernen, Menschen zu akzeptieren, wie sie sind, nicht wie man sie gerne hätte. Was nicht heißt, dass es da oder dort ein Kritikgespräch, Korrekturgespräch oder auch einmal Feedbackgespräch braucht. Es braucht sie immer, vor allem dann, wenn offensichtliches Fehlverhalten da ist. Aber dass man Individualität zulässt und auch nachsichtig ist und auch akzeptiert. Menschen sind eben anders. Der eine ist in dem gut, der andere in dem. Und dieses Bild der Akzeptanz des anderen fordert eine unheimlich hohe emotionale Intelligenz, wenn man so will, auch emotionale Weisheit. Leute auch mal sein zu lassen, wie sie sind und trotzdem etwas einfordern können. Und an dritter Stelle ist Leidenschaft, sich auch wirklich zu 100 % einzubringen. Ich kam mit 80 und 90 % im Leben nichts schaffen. Ich muss 100 % geben. Immer und jedes Mal. So wie auch im Sport. Der Fussballspieler beim FC Liverpool, der immer und jedes Mal 100 % gibt, das gilt es auch bei uns im Projekt. Und diese Leidenschaft mitzubringen, für die Sache zu brennen und es nicht zu machen, weil ich am Ende des Monats ein Gehalt bekomme und vielleicht auch einmal an variablen Anteil, sondern weil ich der Sache wegen etwas gut tue. Also diese Leute suchen wir, viele dieser Leute haben wir und darauf sind wir sehr stolz.

Markus Petz: Jetzt hast du wieder dieses Thema emotionales Befinden, jemanden so sein lassen, wie er ist angesprochen. Auch zu Beginn unseres Gespräches war ja die Rede, dass also gerade in der Transformation auch dafür Raum sein muss. Inwieweit wird in eurem Unternehmen unbewussten Aspekten, also zum Beispiel dem Unterbewusstsein oder auch der Intuition, dem Umgang mit Körper Wissen auch Raum gegeben? Jetzt noch dazu vor dem Hintergrund vieler technikaffiner und technisch ausgebildeter Menschen, die so wie du gesagt hast, sehr rational verhaftet sind. Wie ist es bei euch im Unternehmen? Wie geht ihr mit diesen unbewussten Aspekten um?

Markus Tomaschitz: Na ja, das ist natürlich ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Denn hinter all der Ratio stecken ja oftmals auch emotionale Blockaden. Und man glaubt ja gar nicht, wie viel Energie ein Mensch aufbringt, um etwas zu verhindern. Verhinderungsenergie ist ein enormer Faktor, der ja oft auch aus dem Unterbewussten ist. Hat eine innere Ablehnung gegen etwas, oder etwas entspricht nicht meinem Weltbild etc.. Jetzt muss man natürlich sagen, dass das auch einhergeht, ich sage jetzt einmal, ein Stück weit mit dieser Authentizitäts-Thematik der letzten Jahre, insbesondere auch in den Management- und Führungsschulungen. Man soll immer authentisch bleiben. Wenn Mitarbeiter am Arbeitsplatz immer authentisch wären, dann könnte es kein Miteinander geben. Wenn ich jeden Tag authentisch bin, dann halten das meine Kolleginnen und Kollegen nicht aus. Also ich glaube, es braucht ein gesundes Maß rationeller Anpassung. Und vielleicht braucht es das, was man heute Synchronisation nennt in der Lage zu sein, sein Verhalten zu synchronisieren. Und damit meine nicht unglaubwürdig werden oder sich verbiegen zu lassen, sondern eher auch eine gewisse, wenn man so will, Flexibilität in der Ausrichtung der eigenen Wertvorstellungen zu haben. Aber diese unterbewussten Thematiken, die in deiner Fragestellung drinnen sind, kommen oft aus diesem Punkt heraus.

Ja, das Leben ist voller Graubereiche und das ist schon etwas. Da bin ich jetzt ganz bei dir, was oft unseren Führungskräften schwer fällt, weil sie eben einen technischen Hintergrund haben. Für einen Techniker ist das Licht an oder aus, es ist schwarz oder weiß. Das Leben besteht aber aus Grautönen und man muss immer besonders vorsichtig sein vor Kausalzusammenhängen. Das Leben beginnt bei den Varianzen, bei den Standardabweichungen und vor jedem kausal automatischen Kausalzusammenhang wäre ich schon mal vorsichtig, wenn etwas allzu eindeutig ist. Das Leben ist ein Graubereich. Und das auch zulassen zu können, fünf mal gerade sein zu lassen, seine eigenen Bedürfnisse nicht immer als das Wichtigste anzusehen und vielleicht auch einmal im Unterbewusstsein zu akzeptieren, dass Miteinander mal geben mal nehmen heißt. Das ist aus meiner Sicht eine wesentliche Grundlage für das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Ob das jetzt in einer Firma ist, in einer Familie ist, in Städten oder Ländern ist. Das gehört dazu. Aber das ist schon ein wichtiger Punkt. Nicht das zu adressieren und das auch. Also es gibt diese Welt jenseits der Ratio und über das muss man reden dürfen.

Markus Petz: Ja, es ist wahnsinnig spannend, mit dir zu plaudern, Einblicke zu bekommen. Mit Blick auf die Uhr vielleicht noch eine letzte Frage, weil du es jetzt auch angesprochen hast, nämlich in Richtung Führungskräfte und diese Auffassung, vor allem vor dem technischen Hintergrund. Es gibt eben nur den Status an oder aus. Was ist denn aus deiner Sicht die wesentliche Anforderung an Führungskräfte von morgen? Und dann vielleicht auch noch ganz zum Schluss provokant gefragt, brauchen wir Führungskräfte in Zukunft überhaupt noch in einer dezentralen Organisation?

Markus Tomaschitz: Ja, es wird Führungskräfte brauchen. Und zwar deshalb, weil es immer Zielkonflikte geben wird. Und es muss jemanden geben, der entscheidet, welches Ziel prioritär und welches Ziel sekundär betrachtet wird. Aber die Rolle der Führungskraft, die wird sich ändern. Also diese Direktive, das wird weniger wichtig. Heute geht es ganz, ganz stark um Gemeinschaft und um Sinnstiftung. Um ein Umfeld zu schaffen, das Freude bereitet, um ein Umfeld zu schaffen, das auch Interesse bereitet, das vor allem deutlich demokratischer, partizipativer funktioniert, weil sonst die Generation Z einfach wegläuft. Die Leute wissen heute auch, sie haben Alternativen. Sie suchen sich ein Unternehmen, das ein Umfeld bietet, das interessant ist, das spannend ist, wo man mit Freude am Sonntagabend an den Montag denkt und sagt, ich mache meinen Job gerne, im Wissen, dass nicht jeder Job nur lustig ist. Und das ist es sicherlich nicht. Es gibt ja auf den unterschiedlichsten Ebenen unterschiedliche Anforderungen. Dass man doch ein Umfeld schafft, in dem man einfach gerne arbeiten geht. Das schaffe ich überall, egal welches Unternehmen oder welche Behörde das ist. Und das wird die Aufgabe der Führungskräfte von morgen sein, dieses Miteinander zu vorzuleben und auch das Vertrauen vorzuleben. Wer Vertrauen zeigt, wird in aller Regel belohnt. Und in den zwei, drei Fällen, wo das Vertrauen missbraucht wird, die sollte man als die Ausnahme sehen, aber auf gar keinen Fall als eine Grundlage, jetzt sozusagen mit Misstrauen zu führen. Mit Misstrauen kann man nicht führen, mit Misstrauen kann man Leute davontreiben.

Markus Petz: Ja, das war ein wunderschöner Abschluss. Vielen Dank noch einmal an der Stelle für die Einblicke, die du gerne gewährt hast, ins Unternehmen und so wie du gesagt hast, in einen tiefgreifenden Wandel, der noch nie so in dieser Form da war. Ja, danke fürs Dabeisein und alles Gute bei den nächsten Schritten in Richtung weiter vorankommen in dieser tiefgreifenden Transformation.

Markus Tomaschitz: Ja, vielen herzlichen Dank Markus, alles Gute und an alle Hörerinnen und Hörer Deines Podcasts alles Gute und ich bedanke mich sehr für euer Interesse und für dein Interesse.

Markus Petz: Ja, liebe Zuhörende, vielen Dank fürs Zuhören. Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freuen wir uns natürlich sehr, wenn Sie uns über Ihre Lieblings Podcast App abonnieren. Noch mehr freuen wir uns über eine fünf Sterne Bewertung oder eine Empfehlung an eine Kollegin oder jemand aus ihrem Freundes oder Familienkreis in diese Folge auch interessieren könnte. Das hilft uns nämlich weiterhin spannende Gäste zu gewinnen und neue Themen rund um Transformation, Veränderung und Wandel für Sie bei Kunden zu können. Bis zur nächsten Folge. Beste Grüße, Ihr MetaShift Team.