How to kill a great organisation?:

“Es braucht mehr Frauen in Führungspositionen (solange sie machtlos bleiben)!“


You can find the english version of the article here.

Über ausgeglichene Machtverteilung und nachhaltigen Erfolg von Organisationen   

Im Zuge unserer Podcast-Serie „How to kill a great organisation“ sprach Elisabeth Leyser mit Professorin Dr. Doris Mathilde Lucke von der Universität Bonn. Als Professorin für Soziologie beschäftigt sie sich unter anderem mit Akzeptanz-Forschung und Geschlechter-Soziologie. Professorin Lucke vertritt die These, dass nur dann, wenn die Macht aus bestimmten Feldern abwandert, Platz für Frauen frei wird und zeigt anschaulich auf, wie die bestehende Verteilung von Macht und fehlende Diversität Organisationen schaden kann.  


Schwerpunkt des Gespräches waren die Themen „Machtverteilung und Diversität, mit denen sich Professorin Dr. Doris Mathilde Lucke in der mit Akzeptanzforschung und Geschlechter-Soziologie jahrelang beschäftigt hat

Der Weg der Witwen 

Professorin Lucke vertritt die These, dass dann, wenn die Macht aus bestimmten Feldern abwandert, Platz für Frauen frei wird. Forschungsarbeiten belegen, dass es ein derartiges Muster in Deutschland und USA gibt, das “Widow’s Route“ (Witwen Weg) genannt wird. Professorin Lucke dazu: „Es muss eine Vakanz entstehen, damit Frauen eine Chance haben.“ 

Übertragen auf Wirtschaft und Politik (so Professorin Lucke), dass Frauen quasi unter Dauerbeobachtung stehen. Während Fehler, die ein Mann macht in aller Regel der Person zugerechnet und dann häufig auch noch mit einer Entschuldigung versehen werden (hatte einen schlechten Tag, das war seine einzige Fehlentscheidung in der ganzen Laufbahn…) wird ein Fehler bei einer Frau ihrem „Frausein“ zugeschrieben: „Bei einer Frau sagt man: Seht ihr:Typisch Frau“! Und da meint man den Gattungsbegriff – die können es eben nicht. 

Wie wirkt sich nun die ungleiche Verteilung der Macht auf Organisationen und ihre Entwicklung aus? 

Dazu Professorin Lucke:

„Ich würde sagen, sehr hemmend. Die Hierarchien und die Asymmetrien sind in meinen Augen immer Blockaden. Ich glaube, ein guter Ansatz ist eine Begegnung auf Augenhöhe. Eine meiner Thesen ist, dass es in Zukunft nicht mehr so sehr darum gehen wird, dass Frauen auf Augenhöhe mit Männern kommen. Der Geschlechterkampf wird sich als Krieg Mensch- Maschine fortsetzen.“ 

Die Feminisierung von Bereichen korreliert mit Abwertung 

Zu ihrer These des Machtvakuums meint Professorin Lucke, dass je weiblicher ein Themenfeld ist, umso stärker ist die Wahrscheinlichkeit, dass es abgewertet wird:

„Man kann keinen Kausalzusammenhang zwischen der Feminisierung und der Abwertung bestimmter Berufstätigkeiten oder Branchen oder auch wissenschaftlicher Disziplinen feststellen. Sehr wohl aber Korrelationen.“

Als Beispiel nennt sie den Wissenschaftsbereich, wo Frauen (besonders in den MINT Fächern) meist ohne männliche Konkurrenz antreten, weil die Wirtschaft für Männer viel attraktiver ist, auch finanziell, sodass diese gar nicht an die Universitäten streben – „Männliche Konkurrenzlosigkeit ist auch eine Erfolgsvoraussetzung für Frauen.“ 

Männliche Machtdomänen werden erhalten 

Es geht aber auch um verdeckte Mechanismen der Macht und um Einkommensunterschiede:

„Wenn Frauen so viel billiger sind, dann müsste doch eigentlich jeder Arbeitgeber so schlau sein und alle Männer entlassen und nur noch Frauen einstellen. Das passiert aber nicht, außer im Pflegebereich. Warum? Weil männliche Macht-Domänen erhalten werden sollen.“ 

Feminismus ist immer auch Humanismus – die Quote als Brückentechnologie 

„Auf der einen Seite haben wir Frauen gelernt, dass es ohne Quote offenbar wenig, bis gar keine Veränderung gibt. Jede Quotierung setzt aber immer eine Diskriminierung voraus. Wenn jetzt Frauenquoten propagiert werden, dann wird ja genau diese Einteilung zwischen Männern und Frauen auf Dauer gestellt und permanent im Bewusstsein gehalten. Zugleich wird es deutlich, dass es vorher eine nahezu 100 %-ige Männerquote gegeben hat. Die Quote ist immer die Frauenquote. Dadurch wird eine Spaltung in die Zukunft verlängert, die wir ja alle so nicht haben wollen. Genau das meine ich mit dieser Gegenstrategie der quotenlosen „sichtbaren Selbstverständlichkeit“ und „selbstverständlichen Sichtbarkeit.“ 

Die Quote kann also nur eine Brückentechnologie sein. Es sollte keine Frage mehr sein, ob Mann oder Frau, sondern einfach ein leistungsfähiger, leistungsbereite, qualifizierter Mensch: „Feminismus ist immer auch Humanismus.“ 

Veränderung gelingt mit Mut zu Experimenten und Lernen durch Reflexion  

Zum Thema Personalentscheidungen, Rekrutierung und Beförderung, führt Professorin Lucke an, dass gemischt geschlechtliche Gruppen erwiesenermaßen effektiver, kreativer und innovativer sind und auch das Betriebsklima verbessern.  

Professorin Lucke rät daher zu mehr Mut zu Experimenten und Lernen durch Reflexion. Wobei es nicht um Männer oder Frauen geht, sondern darum, dass wir als Menschen möglichst gut kooperieren und gemeinsam die Zukunft gestalten. 

Abschließend stellt Professorin Lucke die Geschlechterthematik in einen größeren Zusammenhang:

„Das ist nicht nur eine Frage der Geschlechter, sondern das ist eine Frage von Mehrheiten und Minderheiten, von gewohnt, vertraut, von schon bekannt, noch unbekannt, von Macht und Ohnmacht. Und das Geschlecht ist eigentlich nur eine Unterkategorie all dessen und als solches ist es sehr wirkmächtig.“


Wir fassen zusammen

How to kill a great Company 

  • Stellen Sie sicher, dass sich in Ihrem Unternehmen möglichst wenig weiterentwickelt, indem Sie Ihre Teams möglichst homogen zusammenstellen.
  • Steile Hierarchien und Machtkonzentration in wenigen Händen sorgen dafür, dass sicher nichts Neues entsteht und so alles beim Alten bleibt.
  • Machen Sie für Frauen nur dann Platz, wenn Männer den Job ohnehin uninteressant finden.
  • Geben Sie ihrer Überzeugung Ausdruck, dass Frauen gewisse Dinge einfach nicht können und handeln Sie auch danach.
  • Zahlen Sie Männern für die gleiche Tätigkeit ein höheres Gehalt – sie müssen schließlich eine Familie erhalten.
  • Verhindern Sie den Aufstieg ambitionierter, leistungsfähiger Frauen – wenn diese Karriere machen, bleibt ev. weniger Raum für Ihr Netzwerk.
  • Sorgen sie dafür, dass Ihr Unternehmen von (möglichst großgewachsenen, hellhäutigen) Männern repräsentiert wird – Frauen können auch im Hintergrund einen wichtigen Beitrag leisten.

Diversität als Erfolgskriterium für nachhaltigen Unternehmenserfolg 

Innovationsfähigkeit ist einer der kritischen Erfolgsfaktoren für nachhaltigen Unternehmenserfolg.  

Echte Innovation (im Unterschied zu „kontinuierlicher Verbesserung“) profitiert von unterschiedlichen Perspektiven zu einer Fragestellung. Auf dieser Basis gelingen dann radikal neue Lösungen auch für komplexe Herausforderungen.  

  • Schaffen Sie daher die Möglichkeit maximaler Diversität in Ihrem Unternehmen.  
  • Bilden Sie bewusst Teams aus Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Kultur, Alters, mit unterschiedlicher Expertise sowie aus verschiedensten Bereichen des Unternehmens.   
  • Schaffen Sie Raum und Gelegenheit für persönliche Beziehungen in diesen Teams. Laden Sie absichtsvoll zu Gesprächen ein, die über Sach- und Arbeitsthemen hinausgehen und schaffen Sie durch einfühlsame Moderation einen sicheren Raum für diese Begegnungen.  
  • Sorgen Sie dafür, dass auch zurückhaltendere Personen den gleichen Redeanteil wie andere, extravertiertere Teammitglieder haben. 
  • Wichtig: Lassen Sie Spannungen zu. Diese sind – sicher gehalten und konstruktiv genützt – eine wertvolle Grundlage für hochwertige kreative Ideen.