How to kill a grat organisation?:

Gemeinsam sind wir destruktiv!


Warum Organisationen Reflexionsfähigkeit und Bewusstsein brauchen und woran es liegt, dass manche Teams und Organisationen über sich selbst hinaus wachsen und andere an Wert verlieren. Für Dr. Birgit Feldhusen ist dabei die zentrale Frage: „Was passiert in und zwischen Menschen?“

Als Programmdirektorin von „Future Organizations“ an der Donau Uni Krems geht Feldhusen insbesondere der Frage nach, wie wir gemeinsam Dinge in die Welt bringen, die größer und kreativer sind als der Einzelne und welche Rolle hier dem „Collective Mind“ zukommt.

In dieser Folge unserer Podcast-Serie „How to kill a great organisation“ hat Elisabeth Leyser mit Dr. Birgit Feldhusen, Programmdirektorin „Future Organisations an der Donau Universität Krems, gesprochen.

Dabei ging es um die Frage, warum Organisationen Reflexionsfähigkeit und Bewusstsein brauchen und woran es liegt, dass manche Teams und Organisationen über sich selbst hinauswachsen und andere an Wert verlieren. Für Feldhusen ist dabei die zentrale Frage: „Was passiert in und zwischen Menschen?“

Als Programmdirektorin von „Future Organizations“ an der Donau Uni Krems geht Feldhusen insbesondere der Frage nach, wie wir gemeinsam Dinge in die Welt bringen, die größer und kreativer sind als der Einzelne?

Sie berichtet: „Eigentlich haben alle Organisationen, in denen ich war, sehr, sehr professionelle Managementtools gehabt. Sie waren immer am Stand der Zeit, haben sich den neuesten Dingen gewidmet und trotzdem war das Ergebnis der Zusammenarbeit, aus meiner Sicht, meist enttäuschend, denn es gab viele Gräben und Meinungsverschiedenheiten. Es wurde nicht immer das Beste umgesetzt. Das habe ich in den verschiedensten Bereichen immer wieder beobachtet. Mich beschäftigt:

Wie müssen Menschen eigentlich zusammenkommen, damit sie über sich hinauswachsen können?“

Birgit Feldhusens Antwort:

„Das gelingt nur dann, wenn sie ganz bewusst mit Geist und Herz zusammenkommen. Und das ist jetzt auch die Motivation, hinter all meinen Lehrgängen und Veröffentlichungen: das weiterzugeben, weil ja gerade diese Fähigkeiten vor dem Hintergrund unserer Zeit auch immer mehr gefordert werden.“

In diesem Gespräch geht es um die Bedeutung von Motivationsmechanismen, von Sinn und Purpose, und darum, dass Organisationen langfristig nicht überlebensfähig sind, wenn der Fokus auf individuelle oder Statusziele gelegt wird.

Die Kognitionswissenschaft belegt: Uns behindert der Kampf um Ego und Wahrheit

Feldhusen streicht die Bedeutung des Miteinander und die Beachtung unterschiedlicher Perspektiven heraus: „Das ist mittlerweile auch in der Kognitionswissenschaft zunehmend bestätigt, dass wir uns unsere Welt kreieren, dass wir uns unsere Welt so erschaffen, dass wir sie so sehen. Und wenn wir dann Meinungsverschiedenheiten haben, dann sind es immer, dann ist es immer der Kampf um unser Ego und nicht um eine Wahrheit. Es geht immer nur um unsere ganz persönliche Wahrheit.“

Dann geht Feldhusen auf die Bedeutung von „Collective Mind“ ein, wobei sie „Mind“ als Aktivität sieht, einen Prozess, „wo wir Erfahrung wahrnehmen, verarbeiten, aufnehmen und uns demzufolge auch Handlungsmöglichkeiten schaffen….“

„Wie wir miteinander interagieren ist das, was in der Forschung und auch in der Organisationstheorie als Collective Mind bezeichnet wird. Das heißt, die individuelle Art durch die Welt zu gehen verflochten mit anderen Menschen.“

Führungskräfte als Architekten sozialer Systeme

Es sind meist die nichtmateriellen Aspekte, wie Mindset und Kultur, die Menschen verbindet und so die Grundlage für nachhaltigen Erfolg bildet. Und hier kommt auch die Bedeutung von Führung und die Rolle von Führungskräften ins Spiel: „Die Führungskräfte sind Architekten sozialer Systeme“. Das heißt, Führungskräfte bauen Systeme oder Räume auf, in denen Menschen sich auf eine Art und Weise begegnen können, dass sie flexibel sein können, dass sie offen für Neues sind, dass sie kreativ werden.“

Collective Mind sieht Feldhusen zusammengefasst als die Art, wie Menschen miteinander interagieren. „Wie sich Menschen immer wieder auf neue Situationen gut einstellen können, wenn sie aufeinander achten.“ Feldhusen verwendet dafür den Begriff der sozialen Sensitivität.

Abschließend nach Empfehlungen und Tipps für Führungskräfte gefragt, nennt Feldhusen drei Bereiche, auf die der Fokus gelegt werden sollte: individuelle Selbstentwicklung, d.h. beim Individuum anzusetzen, die Art der Interaktion, also neue Meetingformen und Entscheidungsregeln, und zuletzt das Schaffen einer Vertrauens- und einer Fehlerkultur. 


Das Interview in voller Länge:

Elisabeth Leyser: Willkommen zum MetaShift Transformations Podcast „How not to Kill a Great Company“ ist das leitende Thema. Aktuell befassen wir uns mit dem langfristigen Erfolg von Unternehmen und was darüber entscheidet, ob das gelingt oder nicht. Wir hören von erfahrenen Führungskräften und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, was ihrer Meinung nach besonders wichtig für nachhaltigen Unternehmenserfolg ist und wie sie zu diesen Sichtweisen gekommen sind. Heute ist Dr. Birgit Feldhasen bei uns zu Gast. Nach mehreren Jahren als Führungskraft bei Unilever und im Consulting ist Birgit nun schon einige Zeit wissenschaftlich tätig. Willkommen Birgit, magst du dich kurz vorstellen? 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Hallo Elisabeth, ja danke für die Einladung zu diesem Podcast. Aber wie stelle ich mich am besten vor? Erst mal dadurch, was mich schon immer motiviert hat. Ich habe mir immer die Frage gestellt, was passiert in und zwischen Menschen? Und das durfte ich beobachten und erfahren: 15 Jahre lang in der Wirtschaft, auch in Beratungsunternehmen. Und das hat mich dann aber irgendwann so beschäftigt, dass ich gewissen Dingen auf den Grund gehen wollte und bin in die Wissenschaft gegangen. Und da bin ich jetzt seit ca. 12 Jahren, habe eine Doktorarbeit geschrieben zum Thema, wie Menschen über sich selbst hinauswachsen können, wenn sie zusammenkommen und habe das integriert in ein Lehrgang und in einen Fachbereich, den ich an der Donau-Universität Krems aufgebaut habe. Und ja, bin auch unterwegs mit Veröffentlichungen und Vorträgen zu den Themen Kollektive Intelligenz, organisationisationales Lernen. Wie gesagt, um nochmal darauf zurückzukommen: Was passiert in und zwischen Menschen, ist für mich die zentrale Frage und die treibt mich um. 

 

Elisabeth Leyser: Danke Birgit, diese Frage ist wie immer sehr aktuell und mit vielen Rätseln versehen und mich interessiert jetzt: Du bist schon seit etwa 4 Jahren Programmdirektor von „Future Organizations“ an der Donau Uni Krems und ich würde jetzt gerne wissen, inwiefern wirklich auch deine konkrete Erfahrung in der Praxis dazu geführt hat, dass dich dieses Thema Future Organizations so beschäftigt. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Ähm ja, ich bin ja nach einem ganz klassischen Wirtschaftsstudium dann eingestiegen in einen Großkonzern und habe danach ganz viele verschiedene Organisationen kennengelernt, ich war auch in einer Agentur, ich war in einer Beratung, ich war als Selbstständige in einem freien Netzwerk und ich habe eigentlich immer nach fruchtbarer Zusammenarbeit gesucht. Also immer die Frage: Wie können wir gemeinsam Dinge in die Welt bringen, die größer und kreativer sind als der Einzelne? Und haben festgestellt: Also eigentlich alle Organisationen, in denen ich war, haben sehr, sehr professionelle Managementtools gehabt. Sie waren immer am Stand der Zeit, haben sich eigentlich den neuesten Dingen gewidmet und trotzdem war das Ergebnis der Zusammenarbeit, aus meiner Sicht, meist enttäuschend. Es gab dann viele Gräben, viele Meinungsverschiedenheiten. Es wurde nicht immer das Beste umgesetzt. Das habe ich in den verschiedensten Bereichen immer wieder beobachten können. Und wenn ich eben schon gesagt habe, es hat mich einfach getrieben, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Warum ist es so? Warum entstehen da eigentlich immer wieder Konflikte, Meinungsverschiedenheiten zwischen Menschen, so ist das eigentlich nicht das Beste in die Welt gebracht werden kann. Und habe dann die Chance bekommen und die habe ich dann auch ergriffen, noch ganz ganz spät, also mit 40 Jahren ein Doktoratsstudium an der Wirtschaftsuniversität Uni Wien aufzunehmen und habe da vor dem Hintergrund von Otto Scharmer und seinen Studien mich der Frage gewidmet: Wie müssen Menschen eigentlich zusammenkommen, damit sie über sich hinauswachsen können? Und die Antwort war: Nur dann, wenn sie ganz bewusst mit Geist und Herz zusammenkommen. Und das ist jetzt auch die Motivation, hinter all meinen Lehrgängen und Veröffentlichungen, das ja weiterzugeben, weil ja gerade diese Fähigkeiten vor dem Hintergrund unserer Zeit auch immer mehr gefordert werden. 

 

Elisabeth Leyser: Das kann man ja nur unterstützen. Du hast sicher konkrete Erfahrungen gemacht in deinem Leben, noch in der Wirtschaft oder in der Beratung, aber vielleicht auch danach, wo du dir gedacht hast. Also wenn diese Gruppe von Leuten, wenn dieses Unternehmen, diese Organisation so weitermacht, dann fahren sie gegen die Wand. Erzähl mal was, so eine Schlüsselsituation vielleicht aus deiner Erfahrung. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Also ich muss schon immer an eine konkrete Erfahrung denken, die mich sicherlich sehr geprägt hat. Das ist jetzt sehr individuell und persönlich und ich lasse es auch anonym, weil der oder die Person, wenn sie es hört, wird sicherlich wissen, sie es gemeint, aber ich lass es jetzt mal anonym. Das war noch in relativ jungen Berufsjahren, war ich dabei, Bereiche zu wechseln, weil ich schon immer gesehen habe, wo kann ich mich am besten einsetzen? Ich habe mich mit einer Person, die schon länger in diesem Bereich tätig ist, zusammengesetzt und habe gefragt: Sag mal, warum bist du eigentlich in diesem Bereich? Was interessiert dich da? Wassetzt du da ein? Warum interessiert dich das? Weil, mich würde das auch interessieren. Und die Antwort war einfach, weil ich hier Direktor werden will. Und diese Antwort hat mich so irritiert, weil ich mit meinem damaligen und heutigen Ansatz, dass man ja wirksam werden will, für eine gewisse Sache, für gewisse Inhalte. Die hat mich sehr irritiert, weil es da offensichtlich generell um Statusziele ging oder eben auch um ganz gewisse Machtbereiche. Und da habe ich zunächst mal erkannt: Oh, andere Menschen haben andere Motivationen als ich. Also das war erst mal so die erste Erkenntnis und die zweite, die damit aber natürlich auch zusammenhing. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Ich bin da noch lange Jahre dort geblieben in diesem Unternehmen, musste aber feststellen, dass ich irgendwann an meine Energiegrenzen kam. Man könnte auch sagen, so ein fast-Burn Out, weil letzten Endes die Motivationsmechanismen in dieser Organisation, nicht meine waren. Also ich konnte nicht länger in einem durch die Zahlen gesteuerten System wie in einer Maschine funktionieren, weil ich das letzten Endes als unbedeutend betrachtet habe und dann einfach absolut an meine Grenzen gekommen bin und natürlich mich auf die Suche nach meiner eigenen wahren Motivation gemacht habe. Und das ist natürlich eine Bewusstseinssache. Das ist so eine Geistigessache. Und ich bin seitdem der Meinung, wenn Organisationen Personen haben, die einfach nur individuelle Ziele verfolgen, dann kann die Organisation als Ganzes langfristig nicht funktionieren. Man muss auch eigentlich immer auf den Sinn und Zweck der Organisation abzielen und da bereit sein, sich dort auch anzudocken oder sich dort einzubringen. Und wie gesagt, eine Ansammlung von Menschen, die individuelle Ziele schlechterdings noch Statusziele verfolgen, kann langfristig nicht gut überleben, bin ich fest davon überzeugt. 

 

Elisabeth Leyser: Danke Birgit, das war jetzt schon sehr viel Spannendes für unser Gespräch drin und das eine, was mir besonders jetzt in Erinnerung ist, ist der Moment, wo du begriffen hast, dass dir jemand gegenübersitzt, der in einer komplett anderen Realität lebt und, dass ist da eigentlich sehr wenig gemeinsame Ausrichtung gibt. Und das zweite, was natürlich auch unmittelbar damit zusammenhängt, nehme ich jetzt aus dem aus dem Begriff „kollektive Ziele“ heraus und auch eine Ausrichtung als Organisation. Und ich habe verstanden, dass du irgendwann aus dieser Erkenntnis über eine Phase, wo du auch dann eben in der Gefahr warst, in ein Burnout zu gleiten, dass du dann herausgefunden hast und dass du seither ja auch sehr intensiv versuchst, einen Beitrag zu leisten dazu, dass diese Sichtweise auf Organisation und das Zusammenwirken von Menschen in Organisationen klarer und bewusster wird. Und jetzt ist meine Frage: Wie war denn für dich dieser Übergang von der Erkenntnis, dass es so nicht geht – zu auch vielleicht schon einem Bild, wie du es gerne auch vertreten und beeinflussen möchtest? Und wo bist du jetzt gelandet? Und was ist es, wie du jetzt die Situation siehst? Was glaubst du, wie können Unternehmen erfolgreich sein und auch vor allem nachhaltig Wert erzeugen? 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Also ich glaube der Übergang war ein sehr langer Prozess, weil er (vielleicht hält er auch noch an), weil das was wir begriffen haben, können wir nicht sofort umsetzen. Aber fange ich mal vorne an. Ich glaube, ich habe soweit ich denken kann, eigentlich schon immer ganz gut, auch in Meinungsverschiedenheiten und Konflikten die verschiedenen Perspektiven der Parteien gesehen, eventuell aufgrund eines Kindheitserlebnisse von tiefster Verbundenheit, was sich vielleicht in einem anderen Rahmen mal erzählen kann. Aber ich habe mich immer gefragt in Konflikten: „Warum reden die nicht einfach miteinander?“ Ja, eigentlich war mir immer ziemlich klar, was der eine oder andere will und ich habe mich gefragt, „die müssten einfach nur miteinander reden, dann könnten sie doch eigentlich gemeinsam die bessere Sache auf den Weg bringen“. Und aufgrund dieser Sichtweise erschien mir dieses Machtgehabe, was in den meisten Organisationen zu finden ist, eigentlich komplett überflüssig und sinnlos und konnte mich da auch nicht dran beteiligen, weil ich dachte, „Redet einfach miteinander“. Wusste aber nicht, warum sie es nicht tun. Und dann so ca. 2001 wird es gewesen sein,glaube ich, ist schon eine ganze Zeit lang her. Fiel mir Literatur in die Hand, ein erstes Buch, danach aber sehr viel, was mir damals zum ersten Mal eigentlich klar gemacht hat, dass die Welt uns so erscheint, wie wir auf sie schauen und nicht andersherum. Das ist mittlerweile auch in der Kognitionswissenschaft zunehmend bestätigt, dass wir uns unsere Welt kreieren, dass wir uns unsere Welt eigentlich so erschaffen, dass wir sie so sehen. Und wenn wir dann quasi streiten oder wenn wir Meinungsverschiedenheiten haben, dann sind es immer, dann ist es immer der Kampf um unser Ego und nicht um eine Wahrheit. Es ist immer nur um unsere ganz persönliche Wahrheit. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Und diese Selbstwirksamkeit oder diese Wirksamkeit, die aber auch den Einzelnen dann auch zurück führt, die hat mir enorme Energie und Lebendigkeit und Kraft gegeben, so dass ich damals erst mal gekündigt habe und mich aufgemacht habe, um Räume zu suchen, in denen ich das besser einsetzen kann und habe dann in den verschiedenen Bereichen. Ich habe erzählt, ich war in verschiedenen Organisationen, aber selten so, so dass gefunden, wo man das wirklich auch leben oder oder wo es gelebt wird. Nur um festzustellen, es ist eine Aufgabe, die ja eigentlich laufend von jedem Einzelnen in sozialen Bereichen und auch einer Organisation, ein Unternehmen, ein sozialer Bereich gefordert ist. Nämlich dieses Bewusstsein für das eigene Bewusstsein, in dem ich ja eigentlich meine Aktion, mein Wissen, meine Handlungen auch gestalte. Und wie gesagt, wir haben ja selten, wenn wir etwas rational begriffen haben, sofort die Chance, das alles umzusetzen. In sofern bemühe ich mich derweil täglich darum, so diese verbindende Perspektive zu sehen, bei mir selber als auch bei anderen. Und vielleicht kommen wir nachher noch um im Detail drauf. Mein Ansatz ist eben hier, der auch wie gesagt, aus der Wissenschaft gestützt ist, dass man in Organisationen sich darüber bewusst wird, dass Organisation in den Menschen entsteht. Es ist kein Haus, was man aufbaut. Es sind keine Prozesse, die man aufbaut, sondern das Miteinander und die Begegnung zwischen Menschen. Das sind die Organisationen. Und wenn wir hier etwas verändern wollen, wenn wir hier auch nachhaltig erfolgreich sein wollen, dann müssen wir uns fragen: „Diese Menschen, die miteinander interagieren, kommunizieren und arbeiten, was macht diese Menschen erfolgreicher? Wir werden sie zusammen erfolgreich.“ 

 

Elisabeth Leyser: Danke schön. Ich denke, dass du für mich sehr eindrucksvoll die deinen Weg einerseits und andererseits die Verbindung deiner persönlichen Entwicklung im Sinne von Bewusstsein und Bewusstwerdung darüber, dass es darum geht, sich über das eigene Bewusstsein bewusst zu sein. Jetzt wird es schon kompliziert. Und gleichzeitig aber eigentlich etwas sehr Spannendes daraus abgeleitet, nämlich dass eine Organisation in gewisser Weise diese gleiche Leistung vollbringen muss. Dass eine Organisation eine gewisse Reflexionsfähigkeit haben muss. Wenn ich dich richtig interpretiere. Und da kommt mir jetzt natürlich der Begriff in den Sinn, den du ja auch immer wieder in deiner Forschung und in deinen Veröffentlichungen und auch in deiner Lehre verwendest, und zwar der Begriff des Collectiv Mind. Und da wollte ich dich jetzt fragen Was bedeutet das und wie verstehst du das genau um? 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Um das verständlich zu machen, würde ich gerne mal auf den individuellen, also auf den eigenen Teil in Minds zurückgehen, wovon ja viele Leute oder viele sagen: Ich habe ein Geist. Nein. Nach den neuesten Erkenntnissen ist Mind oder Geist nicht etwas, was wir haben oder was wir besitzen, sondern etwas, was wir tun. Es ist eine Aktivität. Und zwar sind es die Prozesse in unserem Bewusstsein, mit denen wir uns unseren roten Faden durch die Welt legen, also wo wir Erfahrung wahrnehmen, verarbeiten, aufnehmen und uns demzufolge auch Handlungsmöglichkeiten schaffen. Also wir erklären uns die Welt auf eine gewisse Art und Weise und werden dadurch handlungsfähig. Und diese Prozesse, das ist, der Mind, es ist ein Tun, es ist ein ständiges Machen. Und der Mindset ist, auf welche Art und Weise wir das tun, wie wir das tun, welche Brille wir dabei aufhaben, wie flexibel wir dabei sind. Und wenn man dann versteht, das Mind, eine Aktivität ist und nichts, was wir besitzen, dann ist logischerweise ein collective Mind das, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen und ihre Art und Weise zu denken und Erfahrung machen, miteinander verflechten. Und wahrscheinlich kann sich das jeder vorstellen. Es treffen zwei Menschen zusammen reden miteinander, man spürt da eine ganz gewisse Atmosphäre und wenn eine dritte Person dazukommt, ist das sofort eine andere Atmosphäre, weil eventuell anders geredet wird, weil die Bezugspunkte sich auch verändern. Und das, was dazwischen entsteht, ist sozusagen dieses Feld. Wie wir miteinander interagieren und das ist das, was in der Forschung auch in Organisationstheorie dann als Collective Mind bezeichnet wird. Das heißt, die individuelle Art durch die Welt zu gehen verflechtet mit anderen Menschen oder verflochten mit anderen Menschen. Und Mitmenschen. Da sind, das muss man einfach sagen, Erfahrungen, die wir verarbeiten müssen. Ja, sie kommunizieren mit uns und wir müssen deren Meinung, deren Aktion, den Entscheidung irgendwo mit unserer Welt zusammenbringen. Und genau das passiert täglich in Organisationen. Und wenn dies auf eine gute und konstruktive Art funktioniert, dann können wir gut miteinander arbeiten. Dann werden wir als Gruppe handlungsfähig und dann werden wir auch als Organisation handlungsfähig. 

 

Elisabeth Leyser: Sehr spannend, Birgit, danke! Was für mich jetzt besonders interessant war, wie nahe du da mit deinen Forschungsergebnissen auch an unserer konkreten Erfahrung bist, da wir ja wirklich in der Praxis mit Organisationen in Veränderung arbeiten und eben auch Entwicklung und Veränderung in Organisationen unterstützen. Und da ist für uns ja immer die Herausforderung – und dann auch für die Unternehmen und die Menschen in den Unternehmen – dass wir da sehr von eigentlich nicht materiellen Aspekten sprechen. Unternehmen sind ja meist gewöhnt, sich an Zahlen, Daten, Fakten, Prozessen etc. auszurichten. Und wir haben aber die Erfahrung und das, was du sagst, bestätigt es jetzt für mich, dass genau das Mindset, die Art zu führen, die Kultur, die dann zwischen den Menschen daraus entsteht, aber eben auch die Innovationsfähigkeit einer Organisation letztendlich davon abhängt, wie sich die Menschen miteinander verbinden und wie sie gemeinsame Realität gestalten. Kannst du das bestätigen? Und wie siehst du das? 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Ich kann das genau so bestätigen. Es ist dann immer offene Frage: Wo ist Henne und wo ist Ei sozusagen? Also beeinflusst der Kollektiv meint jetzt die Führung oder andersherum. Also letzten Endes kann man dieses Feld, was entsteht, oder dieser Raum, der aufgespannt wird, wenn Menschen sich treffen, den kann man natürlich gestalten, den kann man irgendwie versuchen zu beeinflussen oder man kann ihn nähren. Und man kann ihn natürlich auf eine gewisse Art und Weise flexibel, innovativ oder intelligent machen. Das hat aber wenig, wie du schon sagst, mit Dingen mit dem klassischen Verständnis von Führung zu tun, wo man gesagt hat: Ich steuere über Zahlen, anstatt dass ich mit Menschen arbeite. Und diese Zahlen sind eher so Inhalte eines bestimmten Mindsets. Aber aber verändern sicherlich nicht die Art und Weise, wie wie man miteinander begegnet. Und wenn wir dann begreifen, dass Organisation oder auch Kultur – hast du glaube ich auch angesprochen, den Begriff – wenn das zwischen Menschen entsteht, dann können wir und es ist ein schönes Zitat von einem Autor, das ich gerne verwende. Dann können wir sehen, dass Führung und Zukunft eigentlich so was ist wie. Oder „Die Führungskräfte sind Architekten sozialer Systeme“. Das heißt, sie bauen Systeme oder Räume auf, in denen Menschen sich auf eine Art und Weise begegnen können, dass sie eben flexibel sein können, dass sie offen für Neues sind, dass sie kreativ werden. Und vor allem, um da wieder dran anzuknüpfen, auch sich selber reflektieren zu können. Also auch wirklich mal Abstand zu nehmen von festgefahrenen Meinung, die natürlich sehr stark mit ihrem eigenen Empfinden zusammenfallen. Wo es letzten Endes geht es darum. Also wenn man immer so schön sagt: Ich arbeite in Organisation oder ich arbeite mit Firmen, nein, wir arbeiten alle mit Menschen und das, was in ihnen vorgeht, in Austausch zu bringen und sie miteinander zu vernetzen, das ist sicherlich eine Aufgabe von Führung. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Und wie ich das tue, die Färbung des Ganzen entscheidet dann darüber, ob man innovativ, VUCA-fähig oder eben auch fähig ist, in komplexen Umfeldern sich wirklich gut zu bewegen und deshalb vielleicht noch so ein letzter Hinweis auch noch mal auf die Forschung. Der ganze Bereich der kollektiven Intelligenz ist gerade sehr interessant und wird gerade sehr weit beforscht. Und wenn wir davon ausgehen können, dass Organisation so etwas wie ein Collective Mind haben, also die Art, wie sie miteinander interagieren. Dann gibt es Studien dazu, die belegen, dass Teams und demzufolge auch Organisation dann intelligent und smart werden, also sich immer wieder auf neue Situationen gut einstellen können, wenn die Menschen aufeinander achten. Es ist der Begriff der sozialen Sensitivität, also wenn ich aufeinander wirklich Bezug nehmen kann und das andere, auch ganz spannende. Wenn alle Beteiligten ausreichend und in gleichermaßen zu Wort kommen. Das heißt, wenn ich in Organisationen Einzelnen eine Entscheidungsmacht oder auch eine Handlungsmacht gebe, die nicht geteilt wird, dann bleibt diese Organisation zwangsläufig hinter ihren Möglichkeiten zurück. Und ich glaube, das können wir uns in diesen Umfeldern derweil alle nicht leisten. Also wie gesagt, Aufgabe der Führung ist es, da ein Raum zu schaffen, in dem jeder sich gut einbringen kann. Eben auch mit seiner Kreativität und auch mit seiner Liebe zu dem, was er tut. Muss man auch so einfach sagen ja. 

 

Elisabeth Leyser: Also du hast ja jetzt relativ gegen Ende dieser Sequenz gesagt, die Organisationen, die sich nicht um diesen Aspekt kümmern, eben eine auch langfristig funktionierende soziale Architektur zu erzeugen und alle zu Wort kommen zu lassen oder im besten Fall so etwas wie eine soziale Sensitivität zu fördern. Die bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Und das ist ja das, was uns auch in dieser Podcast Serie besonders interessiert. Was sind eigentlich die Faktoren, die darüber entscheiden, ob ein Unternehmen länger am Leben bleibt oder in dieser kurzlebigen und auch sehr disruptiven Zeit, in der wir aktuell leben, dann möglicherweise nicht die Resilienz als Unternehmen aufbringt, sich wieder neu zu erfinden und gut aufzustellen? Dann möchte ich dich jetzt noch abschließend fragen: Wenn du in dem Zusammenhang eine Empfehlung, einen Tipp an Menschen geben würdest, die ein Unternehmen führen, weil sie Eigentümer sind oder Geschäftsführer oder auch in einer Führungsposition. Was wäre aus deiner Sicht das, was du ihnen mitgeben möchtest? 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Gut, vielleicht zu dem, dass man hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und was darüber entscheidet? Also letzten Endes muss man vielleicht auch angesichts der disruptiven Umfelder sagen es geht ja auch ums Überleben von Organisation. Und Überleben heißt, in sich ständig veränderten Situationen immer gut wieder reagieren zu können. Mit neuen Produkten, mit neuen Dienstleistungen, mit Einstellung auf Märkte und Konsumenten. In der Vergangenheit wurde es auch gerne mal mit agil bezeichnet, aber das Wort ist jetzt schon natürlich auch wieder zum Buzzword geworden. Und wie sich so eine Organisation, die ja nichts anderes ist als eine Gruppe von Menschen, die sich miteinander abstimmen und gemeinsam versuchen, einen Sinn und eine Handlungsfähigkeit zu generieren. Da gibt es meiner Ansicht nach zwei Ansatzpunkte. Und das eine ist natürlich, dass die Individuen in ihrer Selbstentwicklung gefördert werden, eben hier auch flexibler zu werden, offener zu werden und sich immer wieder gut einstellen zu können, also wirklich am Individuum anzusetzen. Das andere, was dort natürlich rein spielt, ist die Art von Interaktion, also diese soziale Ebene. Wie bringe ich dann diese Menschen zusammen? Welche Meeting Formate gibt es? Welche Entscheidungsregeln gibt es? Wie wie werden Entscheidungen getroffe? Wie physisch bin ich präsent? Da gibt es ganz viele Faktoren, die sozusagen einfach den Raum, den Raum beziffern, wie Menschen miteinander arbeiten in der Organisation. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Und der dritte Bereich ist dann natürlich die Steuerungsebene, aus der eben auch Neues entsteht. Und da ist natürlich die Führung gefragt, welche Kultur herrscht, welche Fehlerkultur, Vertrauenskultur. Gibt es da eigentlich Möglichkeiten? Oder ist ein Raum gegeben, das überhaupt Entwicklung möglich ist und dass Veränderungen auch aufgenommen werden? Also in diesen drei Bereichen gibt es die unterschiedlichsten Ansatzpunkte. Und weil du gefragt hast, was ist jetzt eigentlich so ein Tipp oder so ein Hinweis, wo man anfangen kann. Dann würde ich sagen, einmal bei dem ersten Kreis: beim Individuum. Nämlich sich selbst wirklich zu fragen, „Warum bin ich in dieser Organisation? Warum bin ich hier? Was ist hier mein Beitrag und bis zu welchem Grad bin ich bereit, dem Unternehmenszweck auch zu dienen?“. Also dieser Begriff des Dienens wird in den neueren Führungstheorien auch immer gerne verwendet, also mit einer gewissen Demut vor dem, ich sag mal, Ziel der Organisation oder dort auch mit beizusteuern. Also warum bin ich hier? Und was treibt mich hierhin? Was hindert mich daran, mich voll einzubringen? Und das andere ist natürlich die Fähigkeit auf mein Gegenüber zu hören und immer mal wieder Abstand von meiner Perspektive zu nehmen und zu schauen, welche anderen Perspektiven sind möglicherweise hilfreich, damit wir gemeinsam eine Art von höherer Perspektive entwickeln. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Da kann man auch zurückgreifen auf viele Erkenntnisse aus dem Wissensmanagement. Also Organisation haben mittlerweile so weit verteilte Wissensbasen und Handlungsmöglichkeiten, dass einzelne Führungskräfte hier kaum mehr die Möglichkeit haben, alleine gute Entscheidungen zu treffen. Das heißt, ich muss einfach immer auf andere hören. Ich muss einfach mein Wissen anreichern. Eine Einzelperso ist viel zu isoliert, um da gute Entscheidungen treffen zu können. Also auf der einen Seite auf mich gut hören, aber dann auch die Möglichkeit sehen, auf andere wirklich gut hören zu können. Und das sagt sich jetzt so leicht auch. Wie gesagt, ich bin auch andauernd dabei, mich darauf einzustellen und daran zu arbeiten. Ich habe auch vorher gesagt: da einfach mich um die verbindende Perspektive zu bemühen, weil wir kennen es alle. Wir glauben ja einfach, wir haben die Wahrheit und unsere Welt ist die richtige. Aber da einfach mal einen Schritt raus zu gehen und zu erkennen: wenn ich mit die Perspektive des anderen integriere, haben wir gemeinsam vielleicht eine viel, viel klarere Ebene, wie wir gemeinsam agieren können. 

 

Elisabeth Leyser: Danke Birgit! Das ist für mich ein besonders schönes Ende, weil ich sehr oft das Gefühl habe, wenn wir mit Organisationen arbeiten. Das ist ein ganz ein wesentlicher Entwicklungsschritt ist, wenn eine Gruppe von Menschen die Bedeutung dessen versteht, dass jede Person, die im Raum sitzt, die Wirklichkeit auf eine andere Art und Weise sieht. Und in diesem Sinn vielen Dank für das Gespräch. 

 

Dr. Birgit Feldhusen: Lieben Dank Elisabeth für dieses abschließende schöne Statement. Genau das kann ich auch voll unterschreiben.